Als Interne Revisoren stehen wir oft vor der Herausforderung, Prozesse auf ihre Vollständigkeit und Korrektheit zu überprüfen. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Beschwerdemanagement eines Unternehmens. Wurde uns der Auftrag erteilt, zu prüfen, ob alle Beschwerden im System erfasst wurden, dann ist es essenziell, dass wir unseren Prüfungsfokus nicht zu eng stecken und ausschließlich das Beschwerdemanagement-System selbst unter die Lupe nehmen.
Das Problem der unvollständigen Grundgesamtheit
Ein häufiges Problem, das in solchen Prüfungen übersehen wird, liegt in der Schnittstelle zwischen dem Eingang einer Beschwerde und deren Erfassung im System. Es reicht nicht, lediglich zu überprüfen, ob das System alle eingegebenen Beschwerden korrekt verarbeitet und dokumentiert. Vielmehr müssen wir sicherstellen, dass tatsächlich alle Beschwerden überhaupt ins System gelangen. Hier lauern verschiedene Fallstricke:
Fehlende Definition von Beschwerden: Gibt es im Unternehmen klare Richtlinien, was als Beschwerde zu zählen ist? Oft fehlt es an dieser grundlegenden Definition. Dies führt dazu, dass Mitarbeiter nicht wissen, welche Anliegen erfasst werden müssen und welche nicht. Die Folge: Viele Beschwerden landen gar nicht erst im System.
Inkonsequente Ticket-Eröffnung durch Mitarbeiter: Selbst wenn es eine Definition gibt, können menschliche Faktoren dazu führen, dass Beschwerden nicht ins System gelangen. Mitarbeiter könnten versäumen, Tickets zu eröffnen, entweder aus Unwissenheit, Zeitdruck oder fehlender Motivation.
Schnittstellenproblematik: Beschwerden erreichen das Unternehmen über verschiedene Kanäle – E-Mail, Telefon, Webformulare, persönliche Gespräche. Diese Vielfalt an Eingangswegen stellt eine Herausforderung dar, da nicht alle Kanäle automatisch mit dem Beschwerdemanagement-System verbunden sind. Manuelle Übertragungen von Beschwerden bergen das Risiko von Fehlern oder Unterlassungen.
Ein ganzheitlicher Ansatz ist der Schlüssel
Um am Ende eine vollständige und aussagekräftige Prüfung zu gewährleisten, müssen wir den gesamten Prozess betrachten – von der Entgegennahme der Beschwerde über ihre Eingabe ins System bis hin zur abschließenden Bearbeitung. Nur so können wir sicherstellen, dass das System auf einer vollständigen Datenbasis operiert.
Es gilt zu prüfen:
Sind alle Kanäle zur Beschwerdeannahme dokumentiert und werden sie regelmäßig überwacht?
Gibt es klare Anweisungen für Mitarbeiter, was als Beschwerde gilt und wie damit umzugehen ist?
Werden Beschwerden aus allen Eingangskanälen konsistent ins System übertragen?
Existiert ein Mechanismus zur Überprüfung, ob Beschwerden „unterwegs“ verloren gehen?
Walkthrough als wichtiges Tool
Aus meiner Erfahrung haben sich gerade bei diesem Thema Walkthroughs als nützlich erwiesen. In dem man mit unterschiedlichen Beschäftigten den Prozess von Beginn an durchgeht werden Lücken oder Unstimmigkeiten schnell ersichtlich.
Dabei gilt es die richtigen Fragen zu stellen. Als erfahrene Revisorinnen wird hier nach den Vorgaben und der Praxis gefragt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, was nicht erfasst wird, ob etwas gelöscht wird etc.
Fazit
Wenn wir diese Fragen nicht berücksichtigen, laufen wir Gefahr, am eigentlichen Prüfziel vorbei zu arbeiten. Die Folge wäre, dass wir uns auf eine unvollständige Grundgesamtheit stützen – ein Fehler, der die gesamte Prüfung infrage stellt. Eine umfassende Prozessanalyse ist daher unabdingbar, um sicherzustellen, dass unser Prüfungsziel nicht nur formell, sondern auch inhaltlich erreicht wird.
Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz können wir die Integrität des Beschwerdemanagements gewährleisten und dem Unternehmen helfen, echte Verbesserungen vorzunehmen.
Kontaktiert mich gerne für weitere Informationen oder Hilfe: m.leitgeb@mlg-consulting.at.
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